Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Dokumente

Programm Verlorne Heimat
Verlorne Heimat Infos.pdf (1,5 MB)  vom 25.09.2013

Kontakt

Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas
Kunstgeschichte

Telefon: (0345) 55-24311
Telefax: (0345) 55-27040

Emil-Abderhalden-Str. 26-27
06108 Halle (Saale)

Weiteres

Login für Redakteure

"Verlorne Heimat" (2013)

„Verlorne Heimat“ – Zur Krise der Moderne zwischen den Weltkriegen

Eine wissenschaftliche Tagung an der TU Dresden, organisiert von Prof. Dr. Jürgen Müller und Prof. Dr. Olaf Peters

Donnerstag, 10.10.2013
Ort: Programmkino Ost, Schandauer Str. 73

16:00 Uhr
Begrüßung und Einführung (OP)

16:15 Uhr
Jürgen Müller (Dresden): Babelsberg/Babylon – Fritz Langs Metropolis in neuer Deutung

Diskussion

18:00 Uhr
Filmvorführung: Metropolis (D 1927, Regie: Fritz Lang)

Freitag, 11.10.2013
Ort: Vortragssaal der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB, 1. OG), Zellescher Weg 18

9:15 Uhr
Begrüßung und Einführung (JM)

9:30 Uhr
Karl-Siegbert Rehberg (Dresden): „Der letzte Mensch“ als Schicksal. Rechte und linke Ressentiments gegenüber der Moderne

10.30 Uhr
Friedrich Balke (Bochum): Dionysos als Arbeiter. Nietzsche in der Auseinandersetzung Heideggers mit Ernst Jünger

11:30 Uhr
Diskussion

11:45 Uhr
Beat Wyss (Karlsruhe): Dialektik der Moderne. Avantgarde und Faschismus

12:45
Diskussion

13:15 Uhr
Mittagspause

14:30 Uhr
Begrüßung und Einführung (OP)

14:45 Uhr
Magdalena Bushart (Berlin): Vorwärts gerichtet, rückwärts gewandt. Die Moderne nach dem Ende des Ersten Weltkriegs

15:45 Uhr
Diskussion

16:00 Uhr
Agnes Matthias (Regensburg): Bildsplitter – Fotografische Visualisierungen der Ersten Weltkriegs

17:00 Uhr
Burckhardt Roewekamp (Marburg): Dem Krieg ein neues Zuhause: Ästhetische Widersinnproduktion und filmische Kriegsvermittlung in WESTFRONT 1918 (D 1930, Regie: G.W. Pabst)

18:00 Uhr
Diskussion

19:00
Gemeinsamer Besuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Otto Dix – Der Krieg (1929-32) Führung von Frau Dr. Birgit Dalbajewa (begrenzte Teilnehmerzahl, nur nach persönlicher Anmeldung)

Samstag, 12.10.2013
Ort: Vortragssaal SLUB, 1. OG, Zellescher Weg 18

9:15 Uhr
Begrüßung und Einführung (JM)

9:30 Uhr
Olaf Peters (Halle/Saale): Entartung – Von der Kulturkritik zur Vernichtung der Moderne

10:30 Uhr
Monika Steinhauser (München): „Ehrenwertes Verstellen“ – Transformationen der Moderne im Angesicht der politischen Krise der 1930er Jahre

11:30 Uhr
Diskussion

ca. 12:30 Uhr
Ende der Tagung

Zur Tagung:

Im Ersten Weltkrieg ging nicht nur das alte Europa zugrunde – auch die Kultur der Moderne wurde in ihren Grundfesten erschüttert. Glaubte das 19. Jahrhundert noch an wissenschaftlichen Fortschritt im Dienste der Menschheit und an die politische Emanzipation im Sinne des Sozialismus, so kam es auf den Schlachtfeldern zwischen 1914 und 1918 zur seelischen und körperlichen Beschädigung einer ganzen Generation.
Diese Katastrophe ließ die aufklärerisch-optimistischen Zukunftsentwürfe des 19. Jahrhunderts als diskreditiert erscheinen. Im geschlagenen Deutschland hatten von nun an konservative und radikal-revolutionäre Ideologien Hochkonjunktur. Auf die „Krise des Geistes“ (P. Valery, 1919) wurde mit dem Ausschlagen in die Extreme geantwortet. Ein Fixpunkt in der Diskussion bleibt dabei auch nach dem Weltkrieg Friedrich Nietzsche. Bekanntlich weist dieser in seiner „Geburt der Tragödie“ der Kunst eine immense Aufgabe zu. Ihre Gemeinschaft stiftende dionysische Kraft soll der aufsplitternden, reflektierenden Gewalt der Moderne entgegen gestellt werden, wofür es nötig sei, sich auf die deutsche Kultur zurück zu besinnen.
Der Philosoph fordert die „Wiedergeburt des deutschen Mythos“, der mit Luther anhebe und in Wagner seine aktuelle Erfüllung gefunden habe. Am Ende des 23. Kapitels entwirft Nietzsche die Idee einer umfassenden Renovatio Deutschlands, wenn er schreibt: „Und wenn der Deutsche zagend sich nach einem Führer umblicken sollte, der ihn wieder in längst verlorne Heimat zurückbringe, deren Wege und Stege er kaum mehr kennt – so mag er nur dem wonnig lockenden Rufe des dionysischen Vogels lauschen, der über ihm sich wiegt und ihm den Weg dahin deuten will.“
Mag Nietzsches Schrift hellsichtig in Bezug auf das 20. Jahrhundert als einem Jahrhundert der Masse und kollektiver Identitäten sein, so ist seine Idee der Renovatio rückwärtsgewandt. Die Moderne als Phänomen gerät nicht wirklich in seinen Blick, vielmehr konstatiert er allgemein einen kulturellen Niedergang. Dennoch ist keine andere Schrift für die konservativen deutschen Kulturkritiker so einflussreich gewesen wie die „Tragödienschrift“. So unterschiedliche Denker wie Julius Langbehn, Arthur Moeller van den Bruck oder Georg Simmel haben sich von Nietzsche inspirieren lassen.
Ausgehend von Nietzsches Kritik an der Gegenwart im Historismus sowie an der positivistischen Philosophie und Wissenschaft des Fin de Siècle beleuchtet die Tagung fächerübergreifend die Erfahrung einer Krise der Klassischen Moderne, die sich gesellschaftlich, politisch und künstlerisch manifestierte und die auf vielfache Weise reflektiert wurde. Dabei sollen gerade auch die konservativ-reaktionären, antidemokratischen und modernitätsskeptischen bis -kritischen Konzepte in den Blick genommen werden, mit denen man auf die Erfahrung einer umfassenden Modernitätskrise zu reagieren versuchte. Nietzsches Wort von der „verlornen Heimat“ kann dabei die dialektische Spannung von Verlust und Wiedergewinnung, von Kritik an und Gründung auf die Moderne fassen.
Die Tagung steht im Zusammenhang mit der von Birgit Dalbajewa und Olaf Peters kuratierten Ausstellung Otto Dix: Das Triptychon Der Krieg (1929-32). Sie wird im April 2014 in den Staatlichen Gemäldesammlungen „Neue Meister Dresden“ anlässlich der Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren eröffnet und stellt das nicht transportfähige Schlüsselwerk ins Zentrum einer kunsthistorisch und historisch kontextualisierenden Ausstellung, in deren Vorbereitung das Werk eingehend restauratorisch untersucht wird. Dabei soll die Tagung einen Rahmen um das Triptychon spannen, zumal das Bild selbst nietzscheanisch interpretiert werden kann und Dix sich um 1930 erneut intensiv mit Nietzsche befasste.
Die Beiträge widmen sich in konzentrierter Form einzelnen zentralen Komplexen, die herausragende Werke wie den erst kürzlich restaurierten Film Metropolis (1926) ebenso umfassen wie die Transformation des surrealistischen Ansatzes angesichts der politischen Bedrohung durch Faschismus und Nationalsozialismus oder die politisch-ästhetischen Vorstellungen der sog. „Konservativen Revolution“. Dix’ Mehrtafelbild wird so in den Kontext der von Brüchen und Verwerfungen geprägten Epoche der Zwischenkriegszeit gestellt, in der es entstand und auf die es reagierte.

Zum Seitenanfang