Kommentar: Schöpferische Denkmalpflege? Geschichte, Gegenwart und Kritik eines nebulösen Begriffs
Mo, 18.00-20.00 Uhr / SR 123
Dr. Holger Brülls
Schöpferische Denkmalpflege? Geschichte, Gegenwart und Kritik eines nebulösen Begriffs
MAG (HS)
MA DPF (M 11)
Nicht erst seit Georg Dehios methodenkritischen Reflexionen im frühen 20. Jahrhundert streiten Denkmalpfleger über den subjektiven Faktor in der Denkmalpflege. Im Zuge der Professionalisierung und Akademisierung der Denkmalpflege seither hat sich, basierend auf Theoremen wie "historische Substanz" und "Authentizität", ein Selbstverständnis gebildet, das meint, ästhetische Empfindungen und Urteile, insbesondere aber künstlerische Erfindungen aus dem konservatorischen Tun fernhalten zu müssen und zu können. Damit einhergehend hat sich das Berufsbild des Denkmalpflegers als Wissenschaftler in einer kontroversen Trias als Gegenpol und Korrektiv zum Architekten und zum Künstler aufgebaut. Trotzdem begegnet die Wortverbindung "schöpferische Denkmalpflege" als Programmbegriff wie als Kampfvokabel in den Fachdebatten des 20. Jahrhunderts bis heute immer wieder. Den einen dient sie dazu, im Umgang mit Bau- und Kunstdenkmalen einen Freiraum für allerlei Eingriffe, funktionale und formale Veränderungen im Sinne "unserer Zeit" zu schaffen. Die anderen sehen im Begriff des Schöpferischen Selbstaufgabe der Denkmalpflege und Verrat am Konzept des schutzwürdigen Geschichtszeugnisses, das durch geschmacksorientierte Umgestaltung, übertriebene Restaurierung oder gar völlige Neuschaffung (Rekonstruktion) Verfälschung erleidet. Jenseits solcher Polarisierung soll im Seminar versucht werden, mit dem realen Dilemma, das im Paradox "schöpferische Denkmalpflege" immerhin angesprochen ist, methodenkritisch umzugehen und zu fragen, ob und wie Erhalten und Gestalten ineinandergreifen. Entwarnung für Theoriemuffel: Die Veranstaltung ist nicht "theoretisch" und auch kein Lektüreseminar. Vielmehr soll anhand ausgesuchter Beispiele aus praktischer Denkmalpflege, Architektur und bildender Kunst der Blick für die "geheime Ästhetik" der Denkmalpflege geschärft werden, von der man selten spricht, die man aber, seit es sie gibt, allenthalben sieht.