Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Geschichte des Institutes

Der Weg zur archäologischen Forschung in Halle (Saale) und die Entstehungsgeschichte von Landesmuseum und Universitätsinstitut

Das gesellschaftliche Interesse an der Erforschung und Bewahrung von Hinterlassenschaften aus vergangenen Zeiten erstarkte in Mitteldeutschland in größerem Maße zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Davon zeugen beispielsweise die Gründungen verschiedener, an der Vorgeschichte interessierter Vereine. Einer dieser Vereine, der „Unstrutverein für vaterländische Alterthümer in Geschichte und Kunst“, wurde 1817 gegründet. Durch diesen erfuhr auch der junge Wissenschaftler Friederich Karl Hermann Kruse (1790–1866), der sich der Erforschung altertümlicher Bodendenkmale in besonderer Weise verpflichtet sah, große Unterstützung. Kruse wurde 1821 zum außerordentlichen Professor für alte und mittlere Geschichte an der Vereinigten Universität Halle-Wittenberg in Halle berufen. Sein Wirken kann als Ausgangspunkt der Altertumswissenschaften an der halleschen Universität angesehen werden.

Der Untrutverein selbst ging wenige Jahre später in einem größeren Verband, dem „Thüringisch-Sächsische Verein für Erforschung des vaterländischen Alterthums und Erhaltung seiner Denkmale“ auf, der im Oktober 1819 auf der Burg Saaleck bei Bad Kösen gegründet wurde. Zu dessen Ehrenmitgliedern zählten bekannte Persönlichkeiten wie Goethe, die Gebrüder Grimm sowie die beiden Brüder von Humboldt. Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt wuchsen die Materialansammlungen durch die Aktivitäten des Altertumsvereins beständig und verstreut gelagerte Bestände wurden im Lauf der Zeit zusammengelegt. Die daraus hervorgegangene umfangreiche Sammlung benötigte entsprechend große Räume um präsentiert und archiviert werden zu können. Dieser Umstand führte knapp ein Jahrhundert nach Vereinsgründung zum Bau des 1918 eröffneten Provinzialmuseums in Halle (Saale), dem ersten seiner Zeit in Deutschland und heute überregional bedeutenden Landesmuseum für Vorgeschichte.

Landesmuseum Halle (Saale), Besuchereingang.

Landesmuseum Halle (Saale), Besuchereingang.

Landesmuseum Halle (Saale), Besuchereingang.

Die Leitung des Museums, dessen Bestände von 1825 an zunächst in der  Neuen Residenz in Halle untergebracht waren, hatten von 1884 bis 1898  sukzessive drei Herren inne, die sich die für die damalige Zeit notwendigen Sachkenntnisse selbst aneigneten. Erst in Folge der zunehmenden Akademisierung der Altertumskunde kam im Jahr 1899 mit Oscar Förtsch der erste, mit einem urgeschichtlichen Thema promovierte Sammlungsdirektor ins Amt (1899-1905). Förtsch promovierte 1892 an der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg im Fach Geschichte mit einer Arbeit über „Die Entstehung der ältesten Werkzeuge und Geräthe“.

Seit  der Etablierung des Faches Vorgeschichte an einigen deutschsprachigen  Universitäten waren, mit Ausnahme von Karl Reuß (Museumsdirektor von  1906–1912), alle nachfolgenden Direktoren studierte Prähistoriker. So  auch Hans Hahne (Direktor von 1912–1935), der ab 1905 bei Gustaf  Kossinna in Berlin studierte. Nach Hahnes Habilitation 1918 in Halle  wurde er auch der erste dort lehrende  Privatdozent für das Fach Vorgeschichte. Ein Jahr später, 1919,  ist, vermutlich auch aufgrund seines politischen Einflusses,  Vorgeschichte als Hauptfach zugelassen worden. Seine von Kossinna  beeinflusste Forschung und Museumsgestaltung wandte sich spätestens  Mitte der 1915er Jahre mehr und mehr der Volkheitskunde und dem  Brauchtumswesen zu. Mit der Machtübernahme durch die NSDAP hatte er in  den Jahren von 1933 bis 1934 zudem das Amt des Universitätsrektors inne.

Die  Wahrnehmung beider Ämter in Personalunion, sowohl das des  Museumsdirektors als auch das des Dozenten bzw. Professors und  Lehrstuhlinhabers behielten auch zwei seiner Nachfolger, Walther Schulz  (Professur von 1935–?) und Martin Jahn (Professur von 1946–1958), bei.  Vier Jahre nach der eigentlichen Emeritierung (1955) von Martin Jahn,  der noch bis 1958 tätig war, wurden die beiden Ämter personell getrennt.  1959 erfolgte die Einrichtung des Instituts für Vor- und Frühgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und zeitgleich die Berufung Friedrich Schlettes zum neuen Ordinarius  (1959–1986). Er forschte u. a. zu Haus- und Siedlungsformen des  Neolithikums, zu Germanen, Kelten und zu Methoden der Datierung in der  Urgeschichte. Schlette, 1915 geboren, aufgewachsen in der Weimarer  Republik, arrangierte sich in seiner aktiven Zeit mit zwei politischen  Systemen, dem Nationalsozialismus und der DDR. 1986, wenige Jahre vor  einem weiteren politischen Umbruch wurde er emeritiert. Noch vor F.  Schlettes Ausscheiden wurde Joachim Preuß im Jahr 1981 zum ordentlichen  Professor für Ur- und Frühgeschichte am Wissenschaftsbereich der Martin-Luther-Universität ernannt. Er hatte von 1986–1991 die Leitung des Lehrstuhls inne. Wie  auch F. Schlette promovierte J. Preuß über ein neolithisches Thema.  Während Preuß’ Schaffensphase entstand u. a. das von ihm herausgegebene  dreibändige Handbuch „Das Neolithikum in Mitteleuropa: Kulturen - Wirtschaft - Umwelt vom 6. bis 3. Jahrtausend v.u.Z“,  das für die thematische Ausrichtung des Institutes zu dieser Zeit  mitbestimmend war. 1991, im Alter von 64 Jahren, wurde Preuß emeritiert.  Sein Nachfolger, Klaus-Dieter Jäger, promovierte 1966 über ein geologisch-klimageschichtliches Thema und lehrte u .a. am Wissenschaftsbereich der Ur- und Frühgeschichte der Humboldt-Universität  Berlin Bodenkunde und Quartärökologie. Nach einer weiteren Arbeit über  landschaftlichen und klimatischen Wandel im Jungquartär unter  Berücksichtigung der anthropogenen Landnutzung im Holozän wurde er am  halleschen Institut zunächst Hochschuldozent und übernahm schließlich im  Jahr 1992 als Professor für Geoarchäologie und prähistorische Ökologie die Institutsleitung. K.-D. Jäger wurde 2001 emeritiert. Im Jahr 1998  übernahm François Bertemes, der zuvor am Institut für Vor- und  Frühgeschichte der Universität des Saarlandes tätig war, eine  Vertretungsprofessur am Lehrstuhl der Martin-Luther-Universität, die 1999 in eine Universitätsprofessur überging. Seitdem lehrt und forscht F. Bertemes im Fachbereich Prähistorische Archäologie in Halle. Mit Beginn seiner Tätigkeit setzte eine zunehmende nationale und internationale Vernetzung und Projekttätigkeit ein, die bis heute andauert. Zahlreiche Drittmittelprojekte, die ein breites Spektrum an Themen abdecken und die Vielseitigkeit des Institutes zeigen, konnten unter seiner Ägide bereits durchgeführt werden.

Eine Neuerung im Fachbereich erfolgte zum Ende des Jahres 2004 mit der Einrichtung eines Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit.  Als einer der wenigen in Deutschland und dem einzigen in  Mitteldeutschland widmet er sich einem Zeitraum ausgehend von der  Völkerwanderungszeit über das Mittelalter bis in die Neuzeit. Die  Professur des neu eingerichteten Lehrstuhls hatte, von 2004 bis zu  seiner Emeritierung im Jahr 2015, Hans-Georg Stephan inne. H.-G.  Stephan forschte in seiner aktiven Zeit in Halle u. a. zur materiellen  Kultur des Mittelalters, zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte sowie  zur mittelalterlichen Stadt- und Baugeschichte. Sein Nachfolger, Tobias  Gärtner, habilitierte sich 2016 an der Universität Regensburg mit einem  Thema zur Stadt Quedlinburg im frühen und hohen Mittelalter und der  Keramik des 7./8. bis 13. Jahrhunderts zwischen Harz und Elbe. Im  gleichen Jahr erfolgte die Berufung zum Universitätsprofessor für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Martin-Luther-Universität.  T. Gärtners Forschungsschwerpunkte liegen u. a. in der  Siedlungsarchäologie, der Sachkulturforschung sowie der Sepulkralkultur,  die aktiver Bestandteil des Forschungs- und Lehrbereiches sind.

Das Forschungsprofil des Fachbereiches Prähistorische Archäologie und Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Martin-Luther-Universität  Halle ist eng mit der Geschichte des Institutes verbunden. So ist einer  der Schwerpunkte die Neolithforschung, deren Grundlagen u. a. durch F.  Schlette und J. Preuß gelegt wurden. Neue, vielfältige Forschungsfelder,  wie etwa die Kreisgrabenforschung, die den Zeitraum von vom Neolithikum  bis zur Bronzezeit umspannt, kamen hinzu. Thematisch verknüpft sind  damit auch Forschungsbereiche der Astronomie und der  Religionsethnologie. Lehre und Forschung decken chronologisch und  thematisch den gesamten Bereich der Ur- und Frühgeschichte und der  Mittelalter- und Neuzeitarchäologie ab. Paläolithische Kunst ist ebenso  Bestandteil der Lehre wie beispielsweise Themen zur Latène-Kultur,  dem steinzeitlichen bis mittelalterlichen Bergbau, der Burgenforschung  oder Richtstättenarchäologie. Großer Wert wird auch auf die  praxisbezogene Ausbildung gelegt. Durch die Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt bestehen zahlreiche Möglichkeiten, einen Einblick in den (außeruniversitären) beruflichen Alltag zu bekommen. Durch den Aufbaustudiengang Denkmalpflege und die bevorstehende Akkreditierung des Fachbereiches finden Sie in  Halle (Saale) hervorragende Studien- und Abschlussvoraussetzungen für  Ihr Berufsziel.

Oliver Rück

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